Das EU-CSW-CERTEX-System, das „elektronische Single-Window-System der Europäischen Union für den Austausch von Bescheinigungen im Zollbereich“, wurde entwickelt, um den Austausch von Dokumenten und Informationen zwischen Zoll- und Nichtzollbehörden zu erleichtern und zu automatisieren. Die Einrichtung des CERTEX-Systems wurde am 09.12.2022 in EU-Recht umgesetzt und soll innerhalb von zehn Jahren schrittweise eingeführt werden. Die erste Phase endet am 03.03.2025.

Das System stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Digitalisierung und Optimierung des internationalen Handels innerhalb der EU dar. Durch die Automatisierung und Zentralisierung des Dokumentenaustausches zwischen Zoll- und Nichtzollbehörden werden nicht nur administrative Hürden abgebaut, sondern auch die Zusammenarbeit und Transparenz im Handel gefördert. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Redaktion der ZOLL.EXPORT gemeinsam mit Rainer Ley, dbh Logistics IT AG, die wesentlichen Aspekte, Funktionen und Vorteile dieses Systems.

Rainer Ley

Rainer Ley

Berater Zoll/Außenwirtschaft | dbh Logistics IT AG

„Die Vorteile wären weniger Zeit- und Verwaltungsaufwand, einfachere Kommunikation zwischen Zoll und anderen Behörden sowie zwischen Zoll und Unternehmen.“

Herr Ley, können Sie uns erklären, was das EU-CSWCERTEX- System ist und welches Ziel damit verfolgt wird?

Das EU-CSW-CERTEX-System ist ein elektronisches Single-Window-System der Europäischen Union, das den Austausch von Bescheinigungen im Zollbereich ermöglicht. Die Schaffung einer digitalen Single-Window- Umgebung für den Zoll in der EU basiert auf zwei Hauptaspekten:

1. Digitale Zusammenarbeit zwischen den Behörden:

Dies soll die automatisierte Überprüfung von Nichtzollformalitäten durch den Zoll unterstützen und eine bessere Überwachung und Kontrolle der Warenmengen ermöglichen. Vorgesehen ist die Verknüpfung von acht Nichtzollformalitäten, die für relevante Daten zentral in Nichtzollsystemen der EU zur Verfügung stehen.

2. Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörden:

Der Vorschlag zielt darauf ab, das Zollabfertigungsverfahren für Wirtschaftsbeteiligte zu optimieren, indem digitale Dienste für den elektronischen Informationsaustausch eingerichtet werden. Diese nationalen Single-Window-Umgebungen sollen den Wirtschaftsbeteiligten als einzige Anlaufstelle für die Erledigung der Zollformalitäten und der spezifischen Nichtzollformalitäten innerhalb der EU dienen.

Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Zoll- und Nichtzollbehörden zu verbessern, indem Dokumente und Informationen elektronisch ausgetauscht werden, um letztendlich „Doppelarbeit“ vermeiden zu können.

Die Einführung soll innerhalb einer Dekade (2022–2031) schrittweise erfolgen. Erst in der zweiten Phase sollen die Wirtschaftsbeteiligten die Möglichkeit bekommen, ein einziges Portal zu nutzen, um Daten zu übermitteln (B2G).

Welche Systeme sind in der ersten Phase des EU-CSW-CERTEX-System integriert und wie funktioniert der Austausch von Dokumenten?

In der ersten Phase, die bis zum 03.03.2025 läuft, werden Systeme wie TRACES, das ODS-2-Lizensierungssystem, das F-GAS-Portal, das elektronische Lizenzierungssystem und ICSMS integriert. Der Ablauf sieht vor, dass Wirtschaftsbeteiligte ihre Zollanmeldungen mit Referenznummern von nicht zollrelevanten Dokumenten an das nationale Zollsystem übermitteln. Dieses leitet die Informationen an das EU-CSW-CERTEXSystem weiter, das die entsprechenden Dokumente abruft, konvertiert und zurück an das nationale Zollsystem sendet.

Welche Arten von Zertifikaten und Dokumenten können über das System verwaltet und ausgetauscht werden?

Zertifikate, Dokumente und Informationen aus den genannten Systemen sind neben dem gemeinsamen Veterinärdokument für die Einfuhr von Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs (GVDE), welches das Pilotprojekt im Rahmen von EU-CSW-CERTEX darstellte, z. B.:

  • Kontrollbescheinigungen für Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen
  • Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor für Holzeinfuhren
  • Lizenzen für ozonabbauende Stoffe
  • Formalitäten für fluorierte Treibhausgase
  • Ausfuhrgenehmigungen für Waren mit doppeltem Verwendungszweck
  • Einfuhrlizenzen und Einfuhrerklärungen für Kulturgüter
  • Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES)

Welche technischen Funktionen bietet das EU-CSW-CERTEX-System?

Das System bietet Funktionen wie die Umwandlung und Transformation vonm Daten, Mengenmanagement, Verfügbarkeitsprüfung, Anfragen und einen Push-Mechanismus. Diese Funktionen gewährleisten einen effizienten und automatisierten Austausch von Informationen.

Wie stellt der EU-CSW-CERTEX die Sicherheit und den Datenschutz bei der Übermittlung und Speicherung von Handelsdaten sicher?

In Art. 6 und Art. 9 der Verordnung (EU) 2022/2399 regelt die EU den Umgang mit personenbezogenen Daten. Hier ist u. a. geregelt, in welchen Fällen personenbezogene Daten verarbeitet und welche Art von personenbezogenen Daten verarbeitet werden können. Weiterhin wird hier festgelegt, dass nur die technischen Protokolle des Dokumentenaustausches gespeichert werden und keine weiteren Informationen aus der Single-Window- Umgebung, wie sie auch für EU-CSWCERTEX gilt.

Welche Vorteile erwarten Sie durch die Einführung des EU-CSW-CERTEX für die Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden und Wirtschaftsbeteiligten?

Wegen des rasanten Anstiegs von Warenbewegungen  (691 Mio. Einfuhren, 486 Mio. Ausfuhren, 175 Mio. Versandverfahren 2021) und den damit verbundenen Formalitäten an den Außengrenzen, wo oft viele verschiedene Zoll- und Nichtzollbehörden beteiligt sind, wurde zum zwischenstaatlichen Austausch das Single-Window-Umfeld der EU für den Zoll eingeführt.

Wie erwähnt, verbessert das System den Austausch und die Verarbeitung der übermittelten Daten von Wirtschaftsbeteiligten,
Zollbehörden und Nichtzollbehörden, und die Behörden erhalten die Daten und Informationen in Echtzeit.

Zu den erwarteten Vorteilen gehören

  • erhebliche Zeitersparnisse,
  • geringere Verwaltungskosten,
  • vereinfachte Interaktionen zwischen Zoll- und Nichtzollbehörden sowie Wirtschaftsbeteiligten,
  • eine geringere Betrugsanfälligkeit und
  • eine effizientere Durchsetzung der EU-Gesetze durch automatisierte Dokumentenprüfungen.

Welche Herausforderungen könnten bei der Implementierung des EU-CSWCERTEX- Systems auftreten?

Herausforderungen könnten die Integration in nationale IT-Systeme, die Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sowie die Anpassung an unterschiedliche technische Standards und Vorschriften sein. Diese Herausforderungen können allerdings durch enge Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Mitgliedstaaten sowie durch fortlaufende technische Unterstützung und Schulungen bewältigt werden.

Wie unterscheidet sich das EU-CSW-CERTEX von anderen Single-Window- Systemen wie dem Europäischen Single-Window-Umfeld für den Seeverkehr?

Obwohl beide Systeme ähnliche Ziele verfolgen, sollten sie nicht miteinander verwechselt werden. So konzentriert sich z. B. EU-CSW-CERTEX auf den Austausch von Bescheinigungen im Zollbereich, also bei der Warenabfertigung, während das Europäische Single-Window-Umfeld für den Seeverkehr spezifisch auf den maritimen Sektor ausgerichtet ist.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des EU-CSW-CERTEX und welche zusätzlichen Funktionen könnten in Zukunft integriert werden?

Zukünftige Entwicklungen könnten die Integration weiterer Zertifikate und Dokumente umfassen sowie den Einsatz von Technologien wie Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zur Verbesserung der Datenanalyse und Entscheidungsfindung. Dies würde die Effizienz und Effektivität des Systems weiter steigern. Nach meiner Auffassung ist das bereits ein weiterer Grundstein für die angestrebte EU-Zollrechtsreform.

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Ley.

Dieses Interview ist am 09.08.2024 im Magazin “Zoll-Export 08/24” des Verlags Forum Verlag Herkert GmbH erschienen.

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