Durch den E-Commerce hat sich der Handel grundlegend verändert. Immer neue Anbieter aus Drittstaaten bieten ihre Waren in der Europäischen Union an. Bislang profitieren diese Händler von Freigrenzen bei Kleinsendungen, denn bei Bestellungen in Drittländern gelten besondere Steuerfreigrenzen. In der bisherigen Praxis entstehen Einfuhrabgaben abhängig vom Warenwert und der Art der Sendung.Versandhändler aus Drittstaaten machen sich die Steuerfreigrenzen zu Nutze, teilweise durch bewusste Unterfakturierung der Waren.
Der Fiskus verliert durch Unterfakturierung solcher Warensendungen Einnahmen. Hier setzt die Mehrwertsteuerreform mit der Änderung des Importverfahrens für Kleinsendungen unter 22€ an.
Wie ist die aktuelle Rechtslage bei Bestellungen aus Drittstaaten?
Ob Einfuhrabgaben aus dem Ausland über das Internet entstehen, hängt vom Warenwert und der Art der Sendung ab. In der bisherigen Praxis bei Kleinsendungen aus Drittländern gelten folgende Freigrenzen für Warensendungen:
- Warenwert unter 22 Euro: Es entstehen keine Einfuhrabgaben. Ausnahmen sind alkoholische Erzeugnisse, Parfums und Eau de Toilette sowie Tabak und Tabakwaren und kaffeehaltige Waren.
- Einfuhren mit einem Warenwert zwischen 22€ und 150€: Diese gelten als zollfrei, aber die Einfuhrumsatzsteuer wird erhoben.
- Ab einem Warenwert von 150€: Es gilt der jeweilige Zolltarif.
Was wird sich durch die Mehrwertsteuerreform verändern?
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass Händler ihre Waren bewusst mit einem niedrigeren Warenwert angeben, um so Abgaben zu umgehen. Daraus ergeben sich Einnahmeverluste für den Fiskus. Er hat sich daher für die Abschaffung dieser Regelung entschieden.
Die Freigrenze für den Import von Sendungen aus Nicht-EU-Ländern mit einem Warenwert von bis zu 22€ entfällt ab dem 01.07.2021. Ursprünglich war als Termin der 01.01.2021 vorgesehen, der Rat für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Union (ECOFIN) hat jedoch am 22.07.2020 entschieden, das Inkrafttreten der Neuregelung um 6 Monate zu verschieben.
Zukünftig müssen für sämtliche Kleinsendungen Zollanmeldungen abgegeben werden. Damit dies nicht zu einer Überlastung des Zolls führt, werden die Sendungen zukünftig automatisiert im IMPOST-Verfahren (Hintergrund) abgewickelt.
Bereits ab 1 Cent Warenwert fällt darüber hinaus eine Einfuhrumsatzsteuer an. Geplant ist, dass die Meldung über eine zentrale Anlaufstelle (One Stop Shop) erfolgt.
dbh Wissen: Import von Kleinsendungen
In unserem Wissens-Artikel haben wir alle Informationen zur Änderung beim Import von Kleinsendungen für Sie zusammengestellt.
Was ist das Ziel der Änderung des Importverfahrens für Kleinsendungen?
Insbesondere durch den E-Commerce ist es zu einem enormen Anstieg von Kleinsendungen aus dem Nicht-EU-Ausland, sog. Drittstaaten, gekommen. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass hier vermehrt bewusst niedrige Werte der Waren angegeben wurden (Unterfakturierung), um die Besteuerung zu umgehen. Dem Fiskus entgehen somit massive Einnahmen. Inländische Anbieter haben außerdem einen Nachteil gegenüber ausländischer Konkurrenz, da sie nicht von dieser Steuerbefreiung profitieren.
Das Ziel des Gesetzgebers ist, die heimische Wirtschaft zu stärken. Durch den Wegfall des Steuervorteils für Nicht-EU-Anbieter sollen Bestellungen im Inland attraktiver werden.
Ein weiteres Ziel der Reform: Gegen Versandhändler, die die Einfuhrumsatzsteuer durch bewusst niedrigere Warenwerte umgehen wollen, vorgehen zu können. Bereits heute führt der Zoll Schwerpunktkontrollen durch, um Unterfakturierungen aufzudecken. Durch die neue Regelung kann die Zollverwaltung leichter gegen Betrüger vorgehen.
Was bedeuten die Änderungen bei Kleinsendungen?
Für sämtliche Kleinsendungen aus Drittländern müssen ab dem 01.07.2021 vom Importeur elektronische Zollanmeldungen durchgeführt werden – allerdings mit einem extrem reduzierten Datensatz. Hierfür wird die Fachanwendung ATLAS-IMPOST für Post- und Kuriersendungen bis zu einem Wert von 150 Euro entwickelt. Für ATLAS-Teilnehmer wird ein neuer Zollanmeldungstyp APK (Anmeldungen von Post- und Kuriersendungen mit einem Warenwert von bis zu 150 Euro) geschaffen.
Privatkunden sind ebenfalls durch die Mehrwertsteuerreform betroffen: Sie müssen in Zukunft eine Zollanmeldung (IPK = Internetanmeldung für Post- und Kuriersendungen mit einem Warenwert von bis zu 150 Euro) durchführen. Privatkunden, die sich dafür nicht beim Bürger- und Geschäftskundenportal online registrieren wollen, können sich bei der Zollanmeldung weiterhin von Post, Kurierdienstleistern oder anderen gegen Gebühr “vertreten lassen“.
Wie die Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden soll, ist noch unklar. Nach Klarstellungen der Details am 12. Februar 2020 auf europäischer Ebene ist mit einem Referentenentwurf für die nationale legislative Umsetzung frühestens zum Herbst 2020 zu rechnen. Fest steht jedoch: um mehrfache Registrierungen für umsatzsteuerliche Zwecke im sog. Bestimmungsland (Sitzland der Kunden als Ort des Verbrauchs) für Unternehmer zu vermeiden, wird das System der „Einzigen Anlaufstelle” (sog. One Stop Shop) ausgedehnt. Dieses ermöglicht es Unternehmen, sich in nur einem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und Abgaben gesammelt abzuführen.