Mehrwertsteuerreform
22-Euro-Grenze beim Import von Kleinsendungen fällt
Der E-Commerce ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Mit dazu beigetragen haben auch immer neue Anbieter aus Drittstaaten. Diese Händler profitierten bislang bei Kleinsendungen, da besondere Freigrenzen für Zollabgaben und Umsatzsteuer galten. In der bisherigen Praxis entstanden Einfuhrabgaben abhängig vom Warenwert und der Art der Sendung. Versandhändler aus Drittstaaten machten sich diese Steuerfreigrenzen zu Nutze, teilweise durch bewusste Unterfakturierung der Waren.
Dem Fiskus entgingen durch die Unterfakturierung dieser Warensendungen Einnahmen bei der Einfuhrumsatzsteuer. Gleichzeitig litten EU-Anbieter, für die die Mehrwertsteuerbefreiung nicht galt, unter den bisherigen Regelungen. Hier setzte die zweite Stufe der Mehrwertsteuerreform mit der Änderung des Importverfahrens für Kleinsendungen zum 01. Juli 2021 an.
Was sind die aktuellen Regelungen zu Zollabgaben und Einfuhrumsatzsteuer?
Bislang hing es vom Warenwert und Art der Sendung ab, ob Einfuhrabgaben für Bestellungen aus Drittstaaten über das Internet entstehen. Die Regelung bestand aus drei Punkten:
- Warenwert unter 22 Euro: Es fielen keinerlei Einfuhrabgaben an. Ausnahmen bildeten alkoholische Erzeugnisse, Parfums und Eau de Toilette sowie Tabak und Tabakwaren und kaffeehaltige Waren (Verbrauchssteuer unabhängig vom Warenwert).
- Warenwert 22 – 150 Euro: Es fiel keine Zollgebühr an, jedoch wurde Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Diese wurde jedoch vom deutschen Zoll aufgrund des Verwaltungsaufwandes nicht erhoben, wenn der Betrag der Einfuhrabgaben unter der Schwelle von 5 Euro lag. Die effektive Wertgrenze „Warenwert + Versand“ lag damit bei rund 26,30 € in Deutschland.
- Warenwert über 150 Euro: Es fielen Abgaben nach dem jeweils geltenden Zolltarif an.
Importverfahren für Kleinsendungen
Welche Änderungen sind bei Kleinsendungen geplant und ab wann?
Grundsätzlich entschied sich der Gesetzgeber bereits 2017 für die Abschaffung der Freigrenze für den Import von Sendungen aus Nicht-EU-Ländern (Drittstaaten). Diese Änderung sollte ursprünglich zum 01. Januar 2021 in Kraft treten, wurde jedoch auf den 01. Juli 2021 verschoben.
Zollanmeldungen für alle kommerziellen Waren
Ab diesem Datum müssen für alle Warensendungen elektronische Zollanmeldungen abgegeben werden („low value consignment“), wenn auch mit einem deutlich reduzierten Datensatz gegenüber der Standardzollanmeldung („super reduced data set“, z. B. reicht die Angabe des 6-Stellers bei der Warentarifnummer aus). Diese Regelung gilt für sämtliche Sendungen unabhängig vom Beförderer, das heißt nicht nur für Post- und Kuriersendungen.
Verbrauchssteuerpflichtige Waren oder Waren, die Verboten oder Beschränkungen unterliegen, können nicht mit diesem verringerten Datensatz angemeldet werden, hier ist unabhängig vom Warenwert weiterhin eine normale elektronische Zollanmeldung mit vollem Datensatz erforderlich.
Für den Zoll bedeutet die Änderung einen immens erhöhten Arbeitsaufwand. Damit es zu keiner Überlastung kommt, sollen alle Sendungen mit einem Wert unter 150 € künftig automatisiert über das neue IT-Verfahren ATLAS-IMPOST abgefertigt werden. Der Start des Systems ATLAS-IMPOST war ursprünglich zum 01. Juli 2021 geplant, verzögerte sich jedoch bis 15. Januar 2022.
Kunden der dbh können dem Start von IMPOST entspannt entgegensehen. Unsere Zollsoftware Advantage Customs ist bereit und kann mit der Betriebsaufnahme seitens des Zolls selbstverständlich auch für den neuen Zollanmeldungstyp APK genutzt werden.
Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer
Die Mehrwertsteuerbefreiung für die Einfuhr kleiner Sendungen mit einem Wert von bis zu 22 EUR wurde gestrichen. Alle in die EU eingeführten Waren unterliegen ab dem 01. Juli 2021 der Einfuhrumsatzsteuer.
Um die Zahlung der Umsatzsteuer für Sendungen an Privatkunden mit einem Sachwert von maximal 150 Euro zu vereinfachen, wurde mit dem Import One Stop Shop (IOSS) eine zentrale Anlaufstelle geschaffen. Nach entsprechender Registrierung kann die Umsatzsteuer vom Verkäufer beim Endkunden erhoben und – unabhängig vom Empfangsland der Ware – bis zum Ende des Folgemonats gesammelt an die gewählte Steuerbehörde abgeführt werden. Detaillierte Informationen hierzu auf den Seiten des Bundeszentralamts für Steuern.
Zusätzlich gibt es auch Sonderregelungen bei Sendungen, bei denen der IOSS nicht genutzt wird (Special Arrangement). Hier wird die Einfuhrumsatzsteuer durch den Beförderer (Post- bzw. Paket- und Expressdienstleister) bei den Sendungsempfängern erhoben und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung überführt.
Ausführliche Informationen zu den Mehrwertsteuerregeln im E-Commerce stellt auch die EU bereit.
Welches Ziel verfolgt der Gesetzgeber mit der Anpassung des Importverfahrens für Kleinsendungen?
Im Online-Handel wurde in den letzten Jahren ein massiver Anstieg von Kleinsendungen verzeichnet. Jährlich werden circa 150 Millionen Pakete mehrwertsteuerfrei in die EU eingeführt.
Insbesondere Händler aus Drittländern haben die Regelungen für Kleinsendungen mit den bestehenden Freigrenzen ausgenutzt, um Einfuhrumsatzsteuern und Abgaben zu sparen. Die EU geht davon aus, dass rund 25 % der Kleinsendungen systematisch zu niedrige Warenwerte oder falsche Warenbeschreibungen enthalten.
Durch Dropshipping wurde dieses Problem weiter verstärkt. Bei dieser Form des E-Commerce bietet ein Online-Händler aus der EU in seinem Online-Shop Waren aus Fernost an. Damit bei dem Händler keine Kosten für Lagerhaltung und Import entstehen, werden die Waren direkt vom asiatischen Lieferanten an die Endkunden versandt. Der Wert der einzelnen Sendung liegt dadurch oft unter der Freigrenze von 22 Euro und ist damit von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Der Händler kann seine Waren so günstiger anbieten, als wenn er diese erst importiert und selbst versendet.
Durch diese Entwicklungen entgehen dem Fiskus bisher massiv Einnahmen. Schätzungen gehen von 5 Milliarden Euro pro Jahr aus. Mit den neuen Regelungen sollen diese Regelungslücken geschlossen werden und die Mehrwertsteuer dort gezahlt, wo der Verbrauch von Waren stattfindet. Weiterhin erhofft sich der Gesetzgeber, besser gegen Betrüger, die die Einfuhrumsatzsteuer umgehen wollen, vorgehen zu können. Aktuell führt der Zoll nur Schwerpunktkontrollen durch, um systematische Unterfakturierung aufzudecken.
Die EU und der deutsche Gesetzgeber verfolgen mit der Neuregelung des Imports von Kleinsendungen und der Abschaffung der Freigrenze auch das Ziel, die heimische Wirtschaft zu stärken. Es wird angenommen, dass zukünftig somit mehr Waren aus der EU statt über ausländische Onlineversandhändler gekauft werden.
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