RCEP: Weltgrößtes Freihandelsabkommen

Mit der Regional Comprehensive Economic Partnership oder kurz RCEP bilden seit dem 1. Januar 2022 zwölf indopazifische Staaten die größte Freihandelszone der Welt. Drei weitere Länder (Indonesien, Myanmar, Malaysia und die Philippinen) befinden sich momentan noch in der Ratifizierung des Abkommens.

Freihandelszone mit 2,2 Milliarden Menschen

Bereits jetzt betrifft die vom Abkommen abgedeckte Zone zwei Milliarden Menschen direkt. Die drei noch verbleibenden Teilnehmerstaaten werden diese Zahl um weitere 200 Millionen auf 2,2 Milliarden Menschen vergrößern. Der einwohnerreichste Signatarstaat ist mit 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern die Volksrepublik China. Das ähnlich große Indien hätte zwar ursprünglich ebenfalls Teil der Freihandelszone werden sollen, stieg aber während der Verhandlungen aus. Über die kommenden Jahre und Jahrzehnte sollen innerhalb der RCEP Zölle abgebaut und gemeinsame Standards für viele Produkte entwickelt werden. Große Teile Asiens und die pazifischen Staaten Australien und Neuseeland wachsen damit zu einem wichtigen Wirtschaftsraum zusammen. Das hat auch Auswirkungen auf die Europäische Union im Allgemeinen und die deutsche Exportbranche im Speziellen. Denn neben dem Verbund der nordamerikanischen Staaten USMCA gibt es mit der RCEP-Gemeinschaft nun einen weiteren starken Konkurrenten auf dem Weltmarkt.

Freihandelsabkommen RCEP

Neue Freihandelszone in Asien: Welche ökonomischen Auswirkungen hat das RCEP?

Am Freihandelsabkommen RCEP beteiligen sich die zehn ASEAN Staaten Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam sowie die Volksrepublik China, Japan, Süd-Korea, Australien und Neuseeland. Ziel des gemeinsamen Vertrags ist die Gründung einer umfassenden Freihandelszone, innerhalb derer Zölle gesenkt und letztendlich ganz abgeschafft werden sollen. Auch andere Handelshemmnisse sollen schrittweise abgebaut werden. So wird in den RCEP-Verträgen beispielsweise festgelegt, dass Zollmeldungen und -abfertigungen innerhalb der Zone künftig binnen 48 Stunden erfolgen müssen. Auch Gebühren für die Ein- und Ausfuhr von Waren sowie Importlizenzverfahren sollen günstiger und vor allem transparenter werden. Durch neue Ursprungsregelungen soll der Aufbau länderübergreifender Wertschöpfungsketten befördert werden.

Obwohl immer wieder zu lesen ist, dass die RCEP-Zone zumindest teilweise nach dem Vorbild der Europäischen Union aufgebaut ist, täuscht dieser Vergleich. Denn während die EU versucht eine politische Union zu bilden, geht es bei der RCEP-Freihandelszone ausschließlich um die Vereinfachung des Handels innerhalb der Zone. Eine intensivere politische Zusammenarbeit besteht innerhalb des neuen Blocks vor allem zwischen den ASEAN-Staaten. Gegenseitige Subvention von Produktionsstandorten und Industrien ist innerhalb des RCEP-Raums beispielsweise nicht vorgesehen. Auch wurden während der Verhandlungen demokratische Werte, Sozialstandards und politische Vorstellungen ausgeklammert. Insbesondere für das Verhältnis von Industriestaaten westlicher Prägung zum nicht-demokratischen China ist das wichtig. Für diese Staaten bedeutet das Abkommen schließlich auch, sich auf stärkere Zusammenarbeit mit der wesentlich kostengünstiger produzierenden Volksrepublik einzulassen.

Im Kern betrifft das RCEP-Handelsabkommen bislang vor allem den Handel mit Industriewaren und Rohstoffen. Der Dienstleistungssektor ist in die Freihandelsverträge ebenfalls einbezogen. Doch beschränken konkrete Regelungen sich hier vor allem auf den Finanzsektor und den Bereich der Telekommunikation. Anders als zum Beispiel in der EU haben die einzelnen Signatarstaaten der RCEP-Verträge die Möglichkeit, besonders sensible Sektoren aus ihrer RCEP-Mitgliedschaft auszuklammern. Insbesondere betrifft das die Landwirtschaft und Teilbereiche der Automobilindustrie.

Kritikerinnen und Kritiker des RCEP-Abkommens sehen in der neuen Zone ein Hegemonialprojekt Chinas. Als größte Volkswirtschaft innerhalb des Blocks und zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt hat China fraglos auch den stärksten Einfluss innerhalb der Staatengruppe. Andererseits war die ASEAN-Staatengruppe federführend bei der Entwicklung und Aushandlung der Verträge. Daraus und aus der Diversität der übrigen Vertragsstaaten ergibt sich grundsätzlich ein starkes Gegengewicht zu China. Gleichwohl bleibt abzuwarten, inwieweit China den eigenen Einfluss nutzen wird, um in den kommenden Jahren Standards innerhalb der RCEP zu definieren und durchzusetzen. Jetzt bereits ist klar, dass China zum größten Profiteur der neuen Zone werden dürfte.

Es ist absehbar, dass die RCEP in den kommenden Jahren ein starkes Gegengewicht zur EU und zum nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA (früher NAFTA) bilden wird. Für europäische Unternehmen kann das gleichermaßen negative Auswirkungen durch stärkeren Wettbewerb aus Fernost wie positive Effekte aufgrund vereinfachter Im- und Exportbedingungen haben. 

Warum ist das indopazifische Freihandelsabkommen RCEP wichtig?

Insbesondere die Tatsache, dass China mit dem neuen Freihandelsabkommen seine wirtschaftliche Vormachtstellung in der indopazifischen Region stärkt, ist bedeutend. Nachdem die USA mit ihrem Ausstieg aus dem TPP-Abkommen (Trans-Pacific Partnership) ihr Engagement im asiatisch-pazifischen Raum stark zurückgefahren haben, bedeutet die RCEP für China eine Chance, Einfluss auf westlich geprägte Volkswirtschaften wie Australien oder Neuseeland auszuüben. Auch wenn die Vereinigten Staaten seit einiger Zeit wieder Interesse daran bekunden, sich an Handelsverträgen wie dem TPP-Nachfolger CPTPP zu beteiligen, treibt die RCEP bis auf Weiteres die Entwicklung Chinas zur wirtschaftlich dominierenden Weltmacht voran.

RCEP USA China

Bringt RCEP einheitliche Normen für Asien?

Ja und nein: Grundsätzlich steht zu erwarten, dass sich innerhalb der Freihandelszone zunehmend gemeinsame Normen für Produkte entwickeln werden. Denn natürlich vereinfachen einheitliche Standards zum Beispiel bei Technik den Handel. Anders als bei anderen Freihandelsabkommen sind Normen aber nicht Teil der Verträge. Insbesondere Vereinbarungen gemeinsamer Sozial- oder Umweltstandards in der Produktion werden über das RCEP-Abkommen also überhaupt nicht forciert. Es ist anzunehmen, dass vor allem China sich dafür starkgemacht haben dürfte, solche Anforderungen nicht zu normieren.

Dennoch ist davon auszugehen, dass RCEP mittel- und langfristig dazu beitragen wird, dass sich in vielen Bereichen Standards über die RCEP-Zone verbreiten werden. Denn natürlich wird es für alle beteiligten Staaten einfacher, die in den Verträgen festgelegten Bedingungen etwa für Zollmeldungen und -abfertigung einzuhalten, wenn gemeinsame Produkt- und Sicherheitsstandards gelten. Dabei dürften aufgrund der massiven wirtschaftlichen Vormachtstellung der Volksrepublik vor allem chinesische Standards in die übrigen Staaten diffundieren.

Welche Zollverfahren und Richtlinien umfasst RCEP?

Das neue Handelsabkommen hat das Ziel, im Laufe der kommenden 20 Jahre rund 90 % der bislang innerhalb der Zone anfallenden Zölle abzubauen. Insbesondere für die ASEAN Staaten ist das wichtig, da damit einzelne Märkte oder Teilmärkte überhaupt erst für die Teilnehmerstaaten geöffnet werden. Doch auch für die Supermacht China ist der vereinfachte Zugang zu Märkten in Australien oder Japan von großer Bedeutung. Zudem wird durch eine Vereinheitlichung der Zollmeldungen und eine klare Regelung der Abfertigungsmodalitäten sichergestellt, dass Handelspartner aus allen Mitgliedsländern sich beim Im- und Export ihrer Produkte auf einheitliche Regeln verlassen können.

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Eine weitere wichtige Neuregelung im Zuge der RCEP-Verträge bezieht sich auf die sogenannten Ursprungsregeln. Innerhalb der RCEP-Zone gehandelte Waren verlieren ab jetzt ihre Herkunftsbestimmungen generell nicht mehr: Die entsprechenden Zollmeldungen entfallen. Mit den bisherigen oft unübersichtlichen Handelsabkommen zwischen einzelnen Teilnehmerstaaten des RCEP-Verbunds gab es diesbezüglich keine einheitliche Regelung. Die neuen Ursprungsregeln ermöglichen damit den Aufbau länderübergreifender Wertschöpfungs- und Lieferketten in Asien bzw. Australien und Neuseeland. Diese Lieferketten werden effizienter als bislang funktionieren und können damit dazu beitragen, die entsprechende Wertschöpfung in Asien zu binden. Diese Entwicklung könnte auch Deutschland betreffen. Unternehmen aus der Bundesrepublik importieren häufig Vorprodukte aus Asien, veredeln diese und exportieren sie wieder. Je mehr Wertschöpfung direkt in Asien erfolgt, desto weniger kann die deutsche Im- und Exportbranche abschöpfen.

Welche Warengruppen betrifft RCEP?

Das Handelsabkommen erstreckt sich vor allem auf klassische Industrie- und Handelswaren. Der Handel mit Rohstoffen wie Stahl oder Kohle soll innerhalb der Zone genauso vereinfacht werden wie der mit fertigen Produkten wie Kleidung oder Technik. Aufgrund der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Branchen haben die Mitgliedsländer allerdings die Möglichkeit, landwirtschaftliche Erzeugnisse und solche aus der Automobilindustrie von den Handelserleichterungen auszuschließen. Bei Ersteren geht es vor allem darum, die jeweiligen primären wirtschaftlichen Sektoren der Staaten zu schützen und so die Lebensmittelversorgung zu sichern. Die Regelungen zur Automobilindustrie sind in erster Linie auf chinesische Bedenken zurückzuführen.

Auch der grenzübergreifende Handel mit Dienstleistungen soll mit RCEP erleichtert werden. Dabei sehen die Verträge bislang allerdings nur Regelungen für Telekommunikation und Finanzdienstleistungen vor. Zudem soll der Austausch sogenannter professioneller Dienstleistungen vorangetrieben werden. Das bedeutet vor allem, dass eine gegenseitige Anerkennung von Berufsausbildungen und Zeugnissen ermöglicht wird. Anders als zum Beispiel in der EU ist aber keine vollständige Personenfreizügigkeit für den indoasiatischen Raum vorgesehen.

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Wie verhält das RCEP-Abkommen sich zu anderen Freihandelsabkommen in der Region?

Grundsätzlich ist eine der Zielvorgaben der RCEP-Verträge, möglichst viele der bestehenden Handelsverträge im indopazifischen Raum zu konsolidieren. Insbesondere die zwischen den ASEAN Staaten vereinbarten Verträge werden durch das neue Abkommen größtenteils substituiert und um Elemente wie die neuen Ursprungsregeln ergänzt. Doch anders als der Staatenverbund ASEAN deckt das RCEP-Vertragswerk ausschließlich Aspekte des Handels ab. Die ASEAN Staaten arbeiten darüber hinaus auf verschiedenen politischen Ebenen zusammen und verfolgen beispielsweise eine gemeinsame Sicherheits- und Umweltpolitik. Daran werden auch die RCEP-Verträge nichts ändern. Damit haben die ASEAN Staaten innerhalb der RCEP-Freihandelszone eine gemeinsame, starke Stimme. Komplett abgelöst werden durch das neue Abkommen die sogenannten ASEAN-plus-Eins-Verträge, die jeweils zwischen dem ASEAN-Verbund und China, Süd-Korea und Japan bestanden.

Brunei, Malaysia, Singapur, Vietnam, Australien, Neuseeland und Japan sind zudem Teil des Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership kurz CPTPP. Am CPTPP sind zudem die amerikanischen Staaten Kanada, Mexiko, Chile und Peru beteiligt. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind aufgrund des Austritts aus den TPP-Verträgen im Januar 2017 nicht Teil dieses Freihandelsabkommens. Dennoch bildet das CPTPP eine starke Brücke für den Handel zwischen Asien und den amerikanischen Kontinenten. Auch China hat in der Vergangenheit bereits Interesse bekundet, CPTPP beizutreten.

Bilaterale Handelsabkommen zwischen den Mitgliedsländern des RCEP-Abkommens und Drittstaaten sind nicht direkt von der neuen Zone betroffen. Wichtig ist allerdings, dass die RCEP-Verträge sich lediglich auf den Handel mit Waren erstrecken, die maximal 40 % Wertschöpfung aus anderen Staaten enthalten. Mit Ursprungsregeln wie dieser wird es für Unternehmen in den Teilnehmerstaaten erstrebenswert, Wertschöpfungs- und Lieferketten innerhalb des indopazifischen Raums aufzubauen. Auch für ausländische Unternehmen, die direkt in den RCEP-Staaten investieren machen die neuen Ursprungsregeln den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten attraktiver. Umgekehrt kann die Neuregelung in einigen Fällen den Export von Produkten aus der Europäischen Union in den asiatischen Raum unattraktiver gestalten. Für die meisten Exportwaren sind 40 % Wertschöpfungsanteil aber großzügig bemessen.

Was müssen deutsche und europäische Unternehmen beachten?

Für Unternehmen aus Deutschland und der EU bedeutet RCEP eine ganze Reihe potenzieller Veränderungen. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass der Handel mit den indopazifischen Staaten sich in Zukunft großflächig verkomplizieren wird. Da die RCEP-Verträge Endprodukte, die bis zu 40 % Wertschöpfung aus Drittländern enthalten, erlauben, wird der Export von Waren in die RCEP-Zone zumeist nicht komplizierter. Die neuen einheitlichen Importregelungen dürften in vielen Fällen sogar für Vereinfachung sorgen. Auch für die bereits jetzt mehr als 5000 Unternehmen, die sich mit Direktinvestitionen in den RCEP-Staaten (vor allem in China) engagieren bedeutet das Freihandelsabkommen in erster Linie Vorteile. Denn natürlich profitieren die dort gegründeten Unternehmen und Niederlassungen genauso wie heimische Unternehmen von den freizügigeren Regelungen. Insbesondere Unternehmen, die bereit sind, Lieferketten vor Ort aufzubauen und die neuen Ursprungsregeln auf diese Weise effizient zu nutzen, werden in der Freihandelszone prosperieren. Auch die mittelfristig zu erwartende Standardisierung vieler Produktanforderungen für den gesamten RCEP-Raum und vielleicht sogar darüber hinaus dürfte den Export von Produkten in den asiatischen Raum in Zukunft vereinfachen.

Auf der anderen Seite bedeutet das Freihandelsabkommen der indopazifischen Staaten auch, dass die wirtschaftliche Vormachtstellung insbesondere Chinas sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter verstärken wird. Im internationalen Wettbewerb wird es für deutsche und europäische Unternehmen damit schwieriger, konkurrenzfähig zu bleiben. Insbesondere der vereinfachte Zugang der chinesischen Wirtschaft zu den Märkten der ASEAN Staaten, Australiens, Neuseelands, Japans und Süd-Koreas dürfte mittelfristig zur Herausforderung werden. Insofern wird der Druck auf die Europäische Union wachsen, eigene Freihandelsabkommen entweder mit dem gesamten RCEP-Block oder den einzelnen Teilnehmerstaaten auszuhandeln.

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