Die achte Verhandlungsrunde im Tauziehen um das zukünftige Handelsverhältnis zwischen der EU und Großbritannien ist ohne Erfolg abgeschlossen worden. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hatte am 7. September den Druck auf die Verhandlungen erhöht. Sollte bis zum EU-Gipfel am 15. Oktober keine Einigung mit der Europäischen Union gefunden worden sein, „sehe ich nicht, dass es ein Handelsabkommen geben wird, und wir sollten das beide akzeptieren und weitergehen“. Auch ein Scheitern der Verhandlungen und damit ein Rückfall auf Handelsbeziehungen nach den Standards der Welthandelsorganisation (WTO) wäre ein „gutes Ergebnis“ für das Königreich, das sich in jedem Falle „mächtig weiterentwickeln“ werde, sagte Johnson. Auf der anderen Seite fordert die EU bis Ende des Monats die Rücknahme eines umstrittenen Gesetzesentwurf. Den hatte die britische Regierung am Mittwoch vorgestellt, um so Vereinbarungen des EU-Austrittsvertrages und des Nordirland-Protokolls auszuhebeln.
Die Stimmung ist also angespannt und beide Seiten wappnen sich für die Zeit nach dem Ende der Übergangsphase. Und das sollten Sie als Unternehmen auch tun! Denn dass es kein Zurück mehr gibt und das Vereinigte Königreich ab 1. Januar 2021 endgültig ein „Drittstaat“ ist, steht bereits fest. Eine Verlängerung der Übergangsphase ist nicht mehr möglich.
Worauf müssen Sie sich auf jeden Fall einstellen?
Für den Warenverkehr sind in jedem Fall Zollformalitäten fällig. EU-Unternehmen, die Waren in das Vereinigte Königreich exportieren oder aus diesem importieren, müssen über eine EORI-Nummer der EU (Nummer zur Identifizierung und Registrierung von Wirtschaftsbeteiligten) verfügen. Eine britische EORI-Nummer wird dann in der EU nicht mehr gültig sein.
Selbst, wenn ein kontingent- und zollfreies Handelsabkommen zwischen der EU und dem UK vereinbart wird, ist der Warenursprung wichtig. Da Großbritannien kein EU-Mitglied mehr ist verlieren britische Vormaterialien im Verhältnis mit drittländischen Freihandelspartnern der EU-27 ihre präferenzielle Ursprungseigenschaft. Der Anteil von britischen Vormaterialien ist also sowohl für Einfuhren in als auch für Ausfuhren aus der EU aus der Präferenzkalkulation „herauszurechnen“. Lieferantenerklärungen und andere Ursprungsnachweise müssen angepasst werden.
Für den Handel mit Dienstleistungen fallen zum Jahresbeginn die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Unionsverträge weg. Um Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten, müssen Dienstleister nachweisen, dass alle Vorschriften eingehalten werden und alle Genehmigungen vorliegen, die für die Ausübung der Dienstleistung in der EU nötig sind.
Konformitätsbescheinigungen und Zertifikate, welche von Prüfstellen aus dem UK ausgestellt werden, sind innerhalb der EU nicht mehr gültig. Des Weiteren müssen eventuell Produktkennzeichen angepasst werden. Die britische Regierung hat am 1. September Richtlinien veröffentlicht, nach denen Güter bis 2022 weiter mit CE-Kennzeichnungen versehen werden dürfen, sofern die Standards für Güter in Großbritannien gleich bleiben.
Überdies gelten für das Vereinigte Königreich für bestimmte Güter ab 1. Januar 2021 Import- und Exportverbote bzw. -beschränkungen. Diese Maßnahmen beinhalten unter anderem chemische Produkte, Abfall- und Dual-Use Güter.
Sollte es bis zum Ende des Jahres keinerlei Abkommen mit UK geben, käme es doch noch zum No Deal Brexit. Dann müssen Waren, die aus dem UK in die EU geliefert werden, nach dem gemeinsamen Zolltarif der EU verzollt werden. Güter, die aus der EU in das UK geliefert werden, würden nach dem geltenden Zollsatz Großbritanniens verzollt.
Welche Hilfestellung bieten die EU und Großbritannien?
Die Europäische Kommission hat im Juli eine Mitteilung zur Vorbereitung auf das Ende des Übergangszeitraums zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (Readiness communication) veröffentlicht. Zusätzlich stehen die sogenannten Readiness Notices für Unternehmen bereit. Diese Vorbereitungsmitteilungen werden kontinuierlich aktualisiert und enthalten Informationen zu einzelnen Bereichen wie Zoll inklusive präferenzieller Ursprungsregeln, Datenschutzrecht, Finanzen, Verkehr, Chemikalien, Industrieprodukte und vielem mehr.
Die britische Regierung hat ihrerseits Mitte Juli das „Border Operating Model“ veröffentlicht, das die Anforderungen aus britischer Sicht auflistet, die für den Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach Ende der Übergangsphase zu erfüllen sind. Für den Bereich Import werden Regelungen suksessive im Januar, April und Juli eingeführt um Unternehmen mehr Zeit für die Vorbereitungen zu lassen. Ab Juli 2021 müssen jedoch für alle Importgüter die erforderlichen Zollerklärungen zum Zeitpunkt des Imports vorliegen. Gleichzeitig richtet sich Großbritannien mit einer großen Kampagne direkt an EU-Unternehmen und informiert diese auf entsprechenden Webseiten über die zu ergreifenden Maßnahmen.
Der Brexit im Überblick
Aktuelle Informationen rund um den Brexit, seine Geschichte und was Unternehmen im Zoll und Außenhandel berücksichtigen müssen unter www.dbh.de/brexit