Binnenhäfen und die Binnenschifffahrt wurden bislang selten als Vorreiter bei der Digitalisierung wahrgenommen. Dies könnte sich in Zukunft ändern: Im IHATEC-Projekt „Binntelligent“ haben die Häfen Braunschweig und Hannover sowie der Transportdienstleister modal 3 zusammen mit dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), dem Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH (BIBA) und der dbh Logistics IT AG mögliche Anwendungen und Potenziale für intelligente Informationstechnologien in Binnenhäfen und der Binnenschifffahrt identifiziert und prototypisch umgesetzt. Als Anwendungsfeld diente hierbei der Hafenhinterlandverkehr im Fahrtgebiet der Weser und des Mittellandkanals. Die Ergebnisse des Projektes wurden nun dem Projektträger und Vertretern der Hafenwirtschaft, der Binnenschifffahrt sowie verantwortlicher Behörden und Verwaltungen vorgestellt.
Investitionsunsicherheiten reduzieren
„Insbesondere den kleinen und mittelständischen Akteuren, welche ganz wesentlich die Branche prägen, fehlen Erfahrungswerte zum betrieblichen und wirtschaftlichen Nutzen von Investitionen in IT und Digitalisierung“, erläutert Projektleiter Patrick Specht. „Ein wesentliches Ziel des Projektes war es daher, Anwendungsfälle und Potenziale für intelligente Informationstechnologien zu identifizieren und durch die Entwicklung und Erprobung von Prototypen zu evaluieren.“ Die beteiligten Häfen und Binnenschifffahrtstreibenden konnten durch die enge Begleitung des Entwicklungsprozesses von der Idee über die technische Konzeption bis hin zum Testen der fertigen IT-Demonstratoren ihre digitalen Fähigkeiten deutlich steigern. Basierend auf den Anforderungen der Praxispartner wurden insgesamt drei Lösungsansätze während der Projektlaufzeit umgesetzt, die jeweils unterschiedliche Problemstellungen und technologische Konzepte abbilden.
Plattformlösungen, maschinelles Lernen und Simulation
Ähnlich wie es in Seehäfen mit etablierten Port Community Systemen der Fall ist, sollen die Akteure der Binnenhäfen und der Binnenschifffahrt zukünftig ebenfalls über gemeinsame Plattformlösungen digital miteinander verbunden werden. Wie dies aussehen könnte, hat das Konsortium anhand der Koordination von Schiffsanläufen erfolgreich demonstriert.
„Zudem wird es künftig möglich sein, den Hinterlandverkehr auf den Binnenwasserstraßen durch zusätzliche Statusinformationen über Ladungen und Schiffreisen wesentlich transparenter zu gestalten und Transportkunden so ein zusätzliches Maß an Vertrauen und Planungssicherheit bieten zu können“,
erläutert Karin Steffen-Witt (dbh Logistics IT AG) die Vorteile der Kommunikationsplattform Binntelligent.
„Dass die Binnenschifffahrt bereits heute auf einem großen Datenschatz sitzt, konnte mit Methoden der künstlichen Intelligenz unter Beweis gestellt werden. So nutzte das Konsortium historische und aktuelle Positionsdaten, um Fahrtverläufe zu analysieren und mittels Machine-Learning-Algorithmen darüber Ankunftsprognosen für einzelne Reisen bereitzustellen und über die Binntelligent-Plattform mit anderen Akteuren zu teilen“, beschreibt Aaron Heuermann (BIBA) seine Arbeit Durch die Nutzung von Simulationsmodellen wurden zudem strategische Fragestellungen der Binnenschifffahrt, wie beispielsweise die Evaluation verschiedener Transportstrategien oder die Definition organisatorischer und infrastruktureller Anforderungen, umfassend betrachtet.
Weiterhin große Anstrengungen notwendig
Trotz erfolgreicher IT-Demonstrationen sehen die Beteiligten auch nach Abschluss der Arbeiten noch einige Handlungsbedarfe in Bezug auf den zukünftigen Einsatz von Informationstechnologien in den Binnenhäfen und der Binnenschifffahrt. So führe die Fragmentierung der eingesetzten Systeme in der Branche derzeitig zu einem hohen Integrationsaufwand, da technische Schnittstellen oft nicht vorgesehen und somit nachträglich umgesetzt werden müssen. Hier seien Softwareunternehmen künftig gefragt, ihre Angebote stärker auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse der Binnenschifffahrt zuzuschneiden. Auch ein Ausbau der digitalen Infrastruktur an den Wasserstraßen und in den Häfen könne nach Ansicht der Projektpartner dazu beitragen, die Potenziale von IT-Lösungen besser nutzen zu können. Neben der Verfügbarkeit von AIS-Daten für logistische Zwecke betrifft dies beispielsweise auch die Bereitstellung von Echtzeit-Daten zu Infrastrukturobjekten wie Brückendurchfahrtshöhen, Schleusenzuständen oder Liegeplatzverfügbarkeiten.
Dass in der Branche ein gesteigertes Interesse an Digitalisierungsthemen herrscht, zeigt die positive Resonanz, welche das Binntelligent-Team während des gesamten Projektverlaufs insbesondere vom lokalen Gewerbe und auch seitens der öffentlichen Verwaltungen erfahren hat. „Das stimmt uns sehr optimistisch, dass wir in Zukunft einen deutlich stärkeren Einsatz innovativer IT-Lösungen in der Binnenschifffahrt erwarten können“, so das positive Fazit von Patrick Specht.
Über das Projekt
Das Projekt Binntelligent wurde im Rahmen der Initiative innovative Hafentechnologien (IHATEC) vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Neben dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) waren das Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH (BIBA), die dbh Logistics IT AG, die Hafen Hannover GmbH, die Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH sowie die modal 3 Logistik GmbH am Projekt beteiligt.
Weiterführende Informationen
Projektlaufzeit: 01.10.2018 – 30.09.2021
Förderrichtlinie: Innovative Hafentechnologien (IHATEC) des BMVI
Projektträger: TÜV Rheinland Consulting GmbH