Nur mit modernsten Software-Tools lassen sich die Güterströme im Seehafen und in den Hinterlandhubs bewältigen. Darin waren sich die Referenten und 60 Fachbesucher des Themenabends „Der Hafen von heute“ des ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc) am 12. September in der Pegelbar am Hafen Neuss einig. Das spc-Mitglied dbh Logistics IT AG sowie seine Partner RBS EMEA UG und akquinet port consulting GmbH gaben einen Überblick über aktuelle Lösungen, die eine zügige und ressourcenschonende Bewältigung der Ladungsmengen ermöglichen.
15. spc-Themenabend am 12. September zum Thema Digitalisierung
60 Teilnehmer aus der Hafen- und Logistikbranche waren der Einladung des spc und der dbh nach Neuss zum nunmehr 15. Themenabend unter dem Motto „Der Hafen von heute“ gefolgt, um sich exklusiv über die Möglichkeiten und Perspektiven der Digitalisierung in Häfen zu informieren. „Die Anforderungen an die See- und Binnenhäfen, die kein reiner Umschlagsort mehr sind, sondern Value-added-Services anbieten, steigen immer weiter: Digitalisierung, die Sicherheit in den Häfen und die immer größer werdenden Schiffe – das sind bestimmende Themen“, so spc-Geschäftsführer Markus Nölke. „Je besser und moderner ein Hafen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch genutzt wird und damit Ladungsströme über Schiff und Schiene gelenkt werden. Das schließe immer mehr die digitale Anbindung ein. Das gelte auch für Binnenhäfen, deren Schnittstellenfunktion von der Kommunikation und dem Umschlag zugleich abhänge“, erklärt Nölke in seiner Begrüßung.
Umschlagsbetriebe, Zoll, Spediteure und zahlreiche Dienstleister sind am Warenfluss im Seehafen selbst beteiligt. Andreas Grunwald, Standortleiter Wilhelmshaven von der dbh Logistics IT AG, zeigte auf, wie das Port-Community-System PCS der dbh als Kommunikationsplattform allen Akteuren maßgeschneiderte Informationen zukommen lässt – bei hoher Datensicherheit und Einhaltung des Datenschutzes. „Parallel zum Warenumschlag übernimmt unsere Plattform den Datenumschlag“, so Grunwald, der sich noch an die Zeit der Kommunikation mit Boten erinnert, die in den 80er Jahren in den Häfen üblich war. Seit den Anfängen der Firma dbh in 1973 ist das Leistungsspektrum mit den technischen Möglichkeiten und Anforderungen der Kunden beständig gewachsen. Das heutige PCS lässt sich flexibel mit verschiedenen Modulen auf die Anforderungen der jeweiligen Nutzer anpassen. Das nutzen bereits heute auch Kunden im Hinterland, um mit den Partnern im Seehafen zu kommunizieren. Die Anwendung läuft im dbh-Rechenzentrum und wird nach einem Transaktionsmodell abgerechnet.
Norbert Klettner, Geschäftsführer der RBS EMEA UG, skizzierte die Herausforderungen, die ein Terminal Operations System (TOS) lösen muss – neben der Kernkompetenz „Abbildung des Umschlagsgeschehens“. Zum einen müssen eine Vielzahl von Marktteilnehmern in
Echtzeit informiert werden, zum anderen werden immer mehr Datenquellen und Schnittstellen eingebunden, wie Anzahl, Position und Zustand der Umschlagsgeräte, Dokumentation der Container mit Ladung und eventuellen Schäden und Zoll. „Die Logistik wird immer automatisierter und transparenter“, so Klettner. „Partner, Kunden und Behörden wollen informiert werden.“ Hier komme klassische Unternehmenssoftware an Grenzen.
„Dank unserer Cloudlösung ist die Implementierung deutlich einfacher und kann in wenigen Wochen fertig sein. Die Abrechnung läuft per TEU“, so Norbert Klettner. „Ich kann mit einem Laptop und einem Browser ein ganzes Terminal managen.“
Die Daten in der Cloud können auch den Spediteuren Vorteile bringen, erklärte Timo Köhler von der dbh. Beim sogenannten Pre-Announcement, der Vorankündigung, errechnet die Software Zeitpunkt und Ort der Bereitstellung des Containers und generiert einen Code für den Trucker und die Terminalmitarbeiter. „Mit dem Code kann sich der Fahrer im genannten Zeitfenster am Gate an einem Selbstbedienungsterminal anmelden und bekommt direkt die Verladestelle genannt. Im Terminal dagegen wissen die Mitarbeiter dank des Codes, welchen Container sie auf den Truck stellen.“ Damit die Software im Hafen auch weiß, welche Container und Fahrzeuge tatsächlich vor Ort sind und wie der Zustand ist, kann das Terminal mit Videogates ausgestattet werden. Diese dokumentieren Fahrzeug und Ladung in hochauflösenden Bildern – auch für den Fall von Rückfragen der Kunden, wenn ein Container beschädigt ist – und speisen die automatisch erkannten Daten mit Kennzeichen, Containeridentifikation und den verschiedenen Hinweisschildern am Container, in das TOS ein.
Prof. Dr.-Ing. Holger Schütt von akquinet port consulting GmbH, zeigte, wie durch Simulationen und Visualisierungen die ungeheuren Datenmengen für Menschen erfassbar werden. „Das Videogate macht aus Bildern Daten, wir machen aus Daten Bilder. Denn Menschen denken in Bildern“, erklärte er. In präzise nachgebauten, virtuellen Häfen und Terminals spielt akquinet im Kundenauftrag durch, wie sich verschiedene Stellschrauben auf die Verkehre und die Leistungsfähigkeit der Häfen auswirken. An den tausenden Stellschrauben könne man nicht im laufenden Betrieb drehen. „Schon in der Vorplanungsphase von Häfen können wir sie virtuell in Betrieb nehmen und ihre Prozesse simulieren, um später Stau und Congestion zu verhindern“, sagte er.
Doch auch im Betrieb sei die Simulation hilfreich: „Wir bieten Schulungen für Terminalplaner an, die im Trainingszentrum Schichten durchlaufen können, in denen sie neue Taktiken ausprobieren“, gibt er ein Beispiel. Am Terminal selbst können Yardplaner aber auch ein echtzeitgenaues 3D-Modell des Terminals nutzen. Hier können die Container nach verschiedenen Kriterien eingefärbt werden, so dass etwa alle Leercontainer oder Container für die nächste Abfahrt eingefärbt sind. „So wird das Terminal für die Planer transparent“, erklärte er. „Das ermöglicht den Planern, das Terminal optimal auf die nächsten Moves und Schichten vorzubereiten.“
In der abschließenden Fragerunde zeigte sich das hohe Interesse der Binnenhäfen an der Vernetzung mit den Seehäfen. Der Druck zur Vernetzung gehe oft von den Seereedern aus und die Binnenschiffer fühlten sich am Seeschiffsterminal noch verloren, so Timo Köhler von der dbh, die die Vernetzung der See- und Binnenterminals und der Schiffe im IHATEC- Projekt Binntelligent vorantreibt. Über die präzise Planung der Ankunft der Container in den Binnenhäfen habe das Binnenschiff ein weiteres Argument, um als verlässlicher Transportpartner aufzutreten und Verkehre von den Straßen abzuwerben. Ebenso könnten Verkehrsdaten in Echtzeit Congestion in den Seehäfen vermindern helfen. Mit realistischen Simulationen der Auswirkungen der neuen hochvolumigen Seeverkehre sahen die Teilnehmer ein Potential, die Mengen organisierter zu bewältigen und gegenüber den Seereedern mit Sachargumenten aufzutreten. Genau um hier mit ihren Erfahrungen unterstützen und beraten zu können, hat das spc-Mitglied dbh Logistics IT AG mit der dbh consulting GmbH eine neue Beratungs-Firma gegründet.
„Die Digitalisierung bietet dem Verkehrsträger Wasserstraße eine große Chance, denn die schnelle Verfügbarkeit von zuverlässigen Daten und Informationen ist immer öfter entscheidender als die reine Laufzeit des physischen Transports. Der Abend hat aufgezeigt, dass es die dafür notwendigen Tools und Projekte bereits gibt“ fasst spc Geschäftsführer Markus Nölke in seinem Fazit zusammen.