Brexit ab 01. Januar 2021
Seit dem 01.01.2021 hat Großbritannien den Status eines Drittlandes. Im- und Exportregeln, EORI, Zolltarifnummern, Zollerklärungen, Ursprungsnachweise und Präferenzkalkulationen spielen damit genauso eine Rolle wie Dual-Use-Regelungen in der Exportkontrolle. Daran ändert auch das Austrittsabkommen nichts. Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen zusammengefasst.
Folgeabkommen nach der Übergangsphase
Pünktlich zu Weihnachten wurde das Folgeabkommen vereinbart und damit der Harte Brexit verhindert. Der gefundene Kompromiss beinhaltet im Bereich Zoll und Außenhandel:
- Ein Freihandelsabkommen: Auf Waren, die aus dem Vereinigten Königreich bzw. der EU stammen, werden bilateral keine Einfuhrzölle erhoben. Voraussetzung: der präferentielle Warenursprung muss nachgewiesen werden. Falls der Ursprung nicht nachgewiesen werden kann oder es sich um Ursprungswaren anderer Länder handelt, fällt trotz des Abkommens Zoll an.
- Es gibt keine Mengenbeschränkungen für den Import.
- Existierende Ein- und Ausfuhrformalitäten werden künftig weiterhin existieren, sollen aber möglichst einfach gestaltet werden. Insbesondere im Fokus hierbei: Autos, Medikamenten, Chemikalien und Wein.
- Lange Zeit einer der Streitpunkte des Abkommens war der Bereich Fischerei. Hier wurde eine Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren vereinbart, während der die Fangrechte für Fischer aus der EU in britischen Gewässern um 25 Prozent gekürzt werden; ab Juni 2026 soll dann jährlich über die Fangquoten verhandelt werden.
Nordirland behält seinen Sonderstatus im EU-Binnenmarkt (Backstop genannt):
- Nordirland wird eine begrenzte Zahl von EU-Vorschriften, insbesondere im Zusammenhang mit Waren, einhalten, und der Zollkodex der Union wird für alle nach Nordirland verbrachten Waren gelten. So werden Zollkontrollen auf der irischen Insel vermieden.
- Überprüfungen und Kontrollen werden bei Waren stattfinden, die aus dem Rest von UK nach Nordirland verbracht werden, z. B. an Grenzkontrollstellen, um sicherzustellen, dass die erforderlichen gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Kontrollen („SPS-Kontrollen“) durchgeführt werden.
- Für aus UK nach Nordirland verbrachte Waren gelten die EU-Zölle, es sei denn, es besteht keine Gefahr, dass die Waren in den EU-Binnenmarkt gelangen. In dem Fall werden keine Zölle erhoben.
Brexit Infoseiten
Erfahren Sie mehr über den Brexit und die Änderungen im Außenhandel mit UK
Unabhängig vom Abkommen gilt: mit dem Brexit ist eine neue Grenze in Europa entstanden mit der Notwendigkeit, bei der Ein- und Ausfuhr Zollformalitäten zu erledigen und die Ware abzufertigen. Daran ändert auch das Abkommen nichts.
Was gilt grundsätzlich für den Warenverkehr?
Zoll & Außenhandel
Seit dem 01.01.2021 müssen alle Warenlieferungen aus oder in die EU zollrechtlich abgefertigt werden. Daran ändert auch das Freihandelsabkommen nichts.
Um Unternehmen etwas mehr Zeit für Vorbereitungen zu lassen, werden seitens Großbritanniens Importerklärungen suksessive eingeführt. Importhändler von Standardware können eine so genannte nachgelagerte Zollanmeldung nutzen. Es müssen detaillierte Aufzeichnungen über die importierte Ware geführt werden, die Zollanmeldung kann aber bis zu 6 Monaten später abgegeben werden. Erst ab 1. Januar 2022 sind für alle Importe die Zollanmeldungen sofort zu erledigen und die Einfuhrabgaben sofort zu leisten.
Ausnahme:
Händler, die kontrollierte Waren (Controlled Goods wie Alkohol, Tabak oder bestimmte Tiere und Pflanzenprodukte) nach Großbritannien bringen, sind nicht für den Ansatz der verzögerten Zollanmeldung berechtigt. Sie müssen daher bei der Einfuhr der Waren nach Großbritannien eine vollständige Zollanmeldung abgeben. Auch zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Regelungen für Voranmeldungen und Dokumente bleiben weiterhin bestehen. Allerdings erfolgen notwendige Kontrollen zunächst weiter am Bestimmungsort und erst ab dem 1. Januar 2022 direkt an den Grenzkontrollstellen.
Sie erstellen bereits heute Zollerklärungen?
Dann können Sie entspannt sein. Abzuwickeln ist Großbritannien genau wie andere Drittländer wie die USA oder China. Dennoch sollten Sie im Blick behalten,
- ob bestehende Bewilligungen angepasst werden können (z.B. Erweiterung des Länderkreises, Veredelungs- und Lagerorte in GBR).
- ob neue zollrechtliche Bewilligungen zu beantragen sind, insbesondere Bewilligung für den Betrieb eines Verwahrungslagers bei der Einfuhr von Waren. Für den Neuantrag sind Bearbeitungsfristen zu beachten.
- dass Bewilligungen des Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (= Authorised Economic Operator = AEO) und andere Bewilligungen zollrechtlicher Vereinfachung, die von den Zollbehörden in UK erteilt wurden, sind in der Europäischen Union nicht mehr gültig.
- dass Sie für Zollanmeldungen in Großbritannien zukünftig eine GB-EORI-Nummer und entsprechende CHIEF-Software benötigen oder sich bei der Anmeldung vertreten lassen müssen. Eine entsprechende Übersicht über mögliche Unterstützung finden Sie auf den Seiten von gov.uk.
- ob Sie durch das Freihandelsabkommen Zölle und Abgaben sparen können. Wichtig: die Waren müssen nachweislich den entsprechenden Ursprungsregeln genügen. Sie müssen sich also mit dem Thema Warenursprung und Präferenzkalkulation auseinandersetzen.
Sie arbeiten bisher nur im Europäischen Binnenmarkt?
Dann müssen Sie für Ihre Geschäfte mit Großbritannien seit dem 1. Januar 2021 entsprechende Zollanmeldungen abgeben. Wir empfehlen deshalb, sich rechtzeitig entsprechendes Zollwissen anzueigenen und sich auch mit den Themen Warennummern und EORI-Nummern zu beschäftigen. Alternativ suchen Sie sich Unterstützung bei der Zollabwicklung z. B. durch eine Zollagentur oder einen Spediteur.
Bitte berücksichtigen Sie folgende allgemeinen Hinweise:
- Wirtschaftsbeteiligte müssen sich grundsätzlich bei den Zollbehörden registrieren, um eine EORI-Nummer zu beantragen.
- Der Informationsaustausch zwischen Wirtschaftsbeteiligten und Zollbehörden erfolgt grundsätzlich elektronisch – für die Nutzung des deutschen IT-Systems ATLAS bedarf es u.a. einer Anmeldung und einer zertifizierten Software (zum Beispiel von dbh).
- Waren, die von oder in das Zollgebiet der EU gebracht werden sollen, unterliegen der zollamtlichen Überwachung: Zollförmlichkeiten sind zu erfüllen, Anmeldungen und gegebenenfalls zusätzliche Dokumente sind abzugeben, Sicherheitsleistungen für potentielle oder bestehende Zollschulden können verlangt werden.
- Für Waren, die in die EU gebracht werden sollen, fallen gegebenenfalls Zölle auf Basis der Zolltarifnummer an. Und auch Großbritannien hat bereits einen eigenen Zolltarif veröffentlicht.
NCTS Versandverfahren
Das Vereinigte Königreich ist am 30.01.2019 dem Übereinkommen über ein Gemeinsames Versandverfahren (Convention on a Common Transit Procedure, CCT) beigetreten. Das Vereinigte Königreich wird automatisch Mitglied dieses Abkommens, sobald es aus der EU ausgetreten ist. Damit sichergestellt, dass Versandverfahren zwischen Großbritannien und der EU auch nach dem Brexit weiter durchgeführt werden können.
Weiterführende Informationen
Die wichtigsten Informationen und viele interessante Links haben wir Ihnen in unserem Whitepaper zusammengefasst. Detaillierte Informationen finden Sie auch in den Informationen der EU.
Verbote und Beschränkungen (Compliance)
Für den grenzüberschreitenden Warenverkehr mit Drittstaaten gelten gesonderte Regelungen zu Verboten und Beschränkungen.
Dies bedeutet in der Praxis:
- Kennzeichnungspflichten sind zu berücksichtigen
- Bestimmte Waren dürfen nur noch an zugelassenen Zollstellen abgefertigt werden z. B. veterinäre Grenzkontrollstellen. Die Dienststellenübersichten des Zolls sind bereits entsprechend aktualisiert worden.
- Bei der Zollabfertigung sind Genehmigungs- und Begleitdokumente vorzulegen z. B. Arzneimittelerlaubnis, Artenschutzgenehmigungen, Konformitätserklärungen für Maschinen, Lizenzen für Ozonprojekte wie Kühlschränke etc.
- Verbote und Genehmigungen im Rahmen der Exportkontrolle sind zu berücksichtigen
Sie sollten sich deshalb mit der Prüfung von Gütern und des Verwendungszwecks, der Exportkontrolle, vertraut machen.
Warenursprung und Präferenzkalkulation
Waren aus Großbritannien gelten seit dem ab 01. Januar 2021 nicht mehr als EU-Ware. In der Berechnung der Ursprungseigenschaft fließen Nicht-EU Waren als Vormaterial ohne Ursprungseigenschaft ein. Daran ändert auch das Freihandelsabkommen nichts.
Besonders genau hinschauen sollten Sie daher, wenn Sie britisches Vormaterial für Ihre Produkte verwenden und bestehende Freihandelsabkommen mit Drittländern z. B. Schweiz, Ägypten etc. nutzen. Die Verwendung von britischem Vormaterial kann in der Präferenzkalkulation zum Verlust der EU-Ursprungseigenschaft und damit zum Verlust der Zollvergünstigung führen.
Auch, wenn Sie britisches Vormaterial für Ihre Produkte verwenden und diese nur in der EU verkaufen, könnten Sie betroffen sein! Da für Ihre eigenen ausgehenden Lieferantenerklärungen ebenfalls Präferenzkalkulationen zu Grunde liegen, könnte es sein, dass Sie keine Lieferantenerklärungen mehr ausstellen können bzw. alte Erklärungen widerrufen müssen. Im ungünstigen Fall, dass Ihr Kunde z. B. wegen seiner eigenen Kalkulation unbedingt EU-Ware benötigt, könnte es sein, dass Sie als Lieferant nicht mehr in Frage kommen.
Dementsprechend empfehlen wir: prüfen Sie jetzt schon, ob Sie britische Vormaterialien verwenden, welche Auswirkungen dies auf den Warenursprung haben wird und ob Sie sich gegebenenfalls zeitgerecht nach neuen Lieferanten umschauen müssen.
Bitte beachten Sie: der Verlust der europäischen Ursprungseigenschaft gilt für alle britischen Waren bzw. Vormaterialien in Ihrem Lager unabhängig vom Beschaffungszeitpunkt. Das heißt, auch “alte” Lagerware, egal wie alt, ist ab dem Stichtag nicht mehr europäischen Ursprungs. Eine Nachverzollung ist jedoch nicht notwendig. Damit nur nach dem Brexit-Stichtag eingekaufte Waren bzw. Vormaterialien als Nicht-EU-Ware behandelt werden müssen, bräuchte es eine entsprechende Regelung in einem Übergangsabkommen.
Sind Vormaterialien bereits verarbeitet und ist der Ursprung der gefertigten Ware EU bzw. Deutschland, bleibt dieser auch mit dem Brexit weiterhin bestehen. Sie müssen also bereits mit britischen Vormaterialien gefertigte Waren nicht noch einmal neu kalkulieren.
Übrigens: auch Ihnen aktuell vorliegende verbindliche Tarif- und Ursprungsauskünfte zu britischen Waren verlieren ab dem 1.1.2021 ihre Gültigkeit.
Weiterführende Informationen der EU zu diesem Thema auf Deutsch finden Sie auf der Webseite der EU.
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